Bau der Möhnetalsperre
Ein langer Weg hatte sein Ende gefunden - Jahrzehnte voller Pläne und Auseinandersetzungen waren dem stolzen Ereignis vorausgegangen. Der Untergang einer stillen Flusslandschaft im Arnsberger Land markierte den Aufbruch in eine neue Zeit. Ein Aufstieg des Ruhrgebietes zum führenden deutschen Industriestandort wäre ohne die Möhnetalsperre unmöglich gewesen. Erst der Möhnesee versorgte Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser und lieferte den Strom für die boomende Wirtschaft.
Die Streitigkeiten um die Nutzung von Wasser und Wasserkraft in der Region begannen schon Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Gründung des Ruhrtalsperrenvereins 1899 setzte dem ein Ende und zwang alle Interessengruppen in ein Boot. Kleine Talsperren mit Wasserwerken und Turbinenhäusern gab es schon länger. Doch Wasser und Energie waren Mangelware, seit die Bevölkerungszahl rapide anstieg und die Wirtschaft unaufhörlich wuchs. Der trockene Sommer 1904 mit Wassernotstand und untragbar schlechten hygienischen Verhältnissen führte zum historischen Entschluss. Statt weiterhin über dezentrale kleine Talsperren den Bedarf zu befriedigen, würde der Ruhrtalsperrenverein ein Stauwerk von bisher nicht da gewesener Größe errichten.
Die Verantwortlichen entschieden sich für das Möhnetal als Standort für das riesige Becken und die Staumauer. Die geografischen und geologischen Bedingungen am Zusammenfluss von Heve und Möhne waren ideal. Die dünne Besiedelung des Gebietes war ebenfalls ein wichtiger Faktor. Das Hevetal war unbewohnt, im Möhnetal lebten etwa 700 Menschen. Nicht jeder der Betroffenen wich freiwillig, trotz der großzügigen Entschädigungszahlungen. Das Recht des Ruhrtalsperrenvereins zur Zwangsenteignung machte jedoch jeden Widerstand gegen den Verlust von Heimat und Besitz aussichtslos.
Das Wasser der Möhnetalsperre überflutete in den ersten Monaten des Jahres 1913 das Dorf Kettlersteich und Teile von Drüggelte und Delecke. 200 Häuser und Wirtschaftsgebäude, Mühlen, Schmieden und Bäckereien, Gastwirtschaften und Handwerksbetriebe versanken im Möhnesee. Eine kleine Welt war für immer verschwunden.
Im Januar 1908 begann der Aushub für den Möhnesee, im Sommer war er abgeschlossen. Die Arbeiten am Boden und der Staumauer konnten beginnen. Auf einer eigens errichteten Bahnstrecke wurden die Baumaterialien herangeschafft, Hunderte von Arbeitern waren täglich an der Möhnetalsperre im Einsatz. Die Regierung hatte mit der ausführenden Firma Luisenhoff eine Prämienzahlung vereinbart. Für jeden Tag, den die Möhnetalsperre vor dem 31. Oktober 1913 fertiggestellt wäre, sollte sie 500 Reichsmark erhalten.
In den Wintern schützte man Teile der Baustelle und die Staumauer mit einer Abdeckung von Wasser bzw. Sand vor Witterungseinflüssen. Das machte jeden März aufwendige Pump- und Reinigungsarbeiten vor Wiederaufnahme der Bautätigkeit an der Staumauer nötig. Doch die Planung und Organisation der Bauarbeiten war perfekt. Nichts konnte die Fertigstellung der monumentalen Staumauer verzögern. Schon am 14. Oktober 1912 verkündigte die Firma Luisenhoff die Erfüllung des Bauvertrages, ein Jahr vor dem vereinbarten Termin. Zwei Wochen später war die baupolizeiliche Abnahme ohne Beanstandungen abgeschlossen. Am 31. Dezember wurden die Zuflüsse geöffnet und die Flutung begann - der Möhnesee war geboren.